Im Mai 2018 ging es mit Familie und Freunden als achtköpfige Wandergruppe nach Österreich ins Salzburger Land. Auf dem Plan stand ein verlängertes Wochenende in Werfenweng. Dabei wurde sehr schnell deutlich, dass es bei einer Wandergruppe mit einer Altersspanne von Anfang 20 bis Ende 50 Fingerspitzengefühl braucht in der Planung. Dabei habe ich vor allem gelernt, dass ich mich hin und wieder in Sachen Tourenplanung stärker bemerkbar machen sollte. Vor allem, wenn die Mehrheit der Wandergruppe den Verlockungen des bergab Gehens aufgesessen ist…
Das gibt's zu entdecken
Das Wandern in der Großgruppe.
„Lasst uns alle wandern gehen!“ – klingt erstmal gut, ist aber nicht immer ganz einfach. Vor allem, wenn eine Wandergruppe auf acht Personen anwächst, jeder unterschiedliche Vorstellungen einbringt und keiner den Hut aufhat. In solchen Fällen kann das Wandern in der Wandergruppe anstrengender werden, als allein eine Fernwanderung zu planen. Denn in der Gruppe treffen viele verschiedene Erwartungshaltungen und eine durchaus stark variierende Grundkondition aufeinander. Insbesondere die Unterschiede in der Kondition machen es schwierig, bei einer gemeinsamen Wanderung den eigenen Rhythmus zu gehen. Hier gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren, keine übertrieben schweren Touren auszusuchen und vor allem diesen klassischen Fehler zu vermeiden:
Mit der Gondel auf den Gipfel und zu Fuß wieder runter.
Ich muss gestehen, dass ich mich in der Planung des Wanderurlaubs vorab etwas zurückgehalten hatte. Natürlich lief der Tourenratgeber von Bergfex warm und ich hatte schon einige Ideen gesammelt, doch meine Vorschläge wurden mit einem „Wir entscheiden vor Ort“ entgegen genommen. Heute weiß ich: Etwas mehr Vorauseilen in Sachen Tourenplanung meinerseits hätte nicht geschadet. Denn im Chaos des Ankunftstages kam die Idee auf, doch einfach mit der Gondel auf die nächstgelegene „Bischlinghöhe“ zu fahren und ins Tal zu laufen.
Schmerzen im Knie beim bergab Gehen: Nicht unüblich.
Tatsächlich scheint ein „Runter-ins-Tal-Spaziergang“ in vielen Köpfen weniger anstrengend zu sein als der Aufstieg zum Gipfel. Klar, die Schwerkraft hilft – zumindest im Kopf. Trotzdem sind insbesondere lange Abstiege sehr fordernd für die Knie. Denn die Beinmuskulatur muss stark bremsend arbeiten und das ist besonders anstrengend. Eine Arbeitsgruppe des Fachbereichs Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Salzburg hat sich mit der Frage befasst, warum insbesondere das Kniegelenk beim bergab Gehen gern mal schmerzt. Dafür wurden 440 Bergsteiger befragt, von denen 47% angaben, dass sie während oder nach einer Bergtour Schmerzen am Bewegungsapparat haben. Bei fast allen Personen treten die Schmerzen beim abwärts Gehen auf – und dann zu 90% im Knie. Mit dem Alter nehmen die Schmerzen außerdem zu: Annähernd 75% der Über-60-Jährigen gaben an, Beschwerden bei Bergtouren zu haben.
Warum tut insbesondere das Knie weh?
Beim Wandern am Berg und insbesondere beim abwärts Gehen werden die Strukturen in unseren Gelenken besonders beansprucht. Damit wir nicht umfallen, müssen wir – je nach Neigung – die Beine stärker beugen. Da wir dabei auch den Oberkörper aufrecht halten müssen, findet diese Beugung primär durch das Knie statt. Und das muss währenddessen große Lasten aushalten: Beim bergab Gehen über ein Gefälle von 24° kann das Siebenfache unseres Körpergewichts auf unser Knie wirken. Bei einer 65 Kilogramm schweren Person sind das schnell mal 455 Kilogramm. Und das bei jedem Schritt. Eigentlich können wir einen Großteil davon mit unserer Muskulatur abfangen. Doch die ist nach einem Anstieg oft schon müde und kann den Job nicht mehr ausreichend erfüllen. Schnell mal auf den Berg rauf und entspannt bergab gehen? Das ist tatsächlich ein Trugschluss.
Die Abhilfe: Trekkingstöcke.
So kam es dann auch, dass ich als wandernder Trekkingstock-Verleih Mitgliedern unserer Wandergruppe aushalf. Allerdings hatte ich leider nicht mehr als meine beiden Stöcke mit – und sammelte am Wegesrand alles ein, was sich als Wanderstock-Ersatz verwenden ließ. Was ich damals schon ahnte, hat eine kleine Recherche bestätigt: Tatsächlich helfen Wanderstöcke, die Spitzenbelastung um 25-30% zu reduzieren. Und das bei ungezieltem Einsatz. Werden die Stöcke gezielt und technisch sauber verwendet, kann die Belastung sogar um bis zu 50% verringert werden. So konnten zumindest auf den letzten Kilometern fast alle Knie der Wandergruppe entlastet werden. Mittlerweile habe ich für solche Fälle noch andere Ratschläge parat.
Entlastung der Knie beim bergab Gehen – das hilft:
- Kurze Schritte machen: Durch kurze Schritte muss das Knie nach vorn weniger stark ausweichen und die Belastung wird verringert.
- Trekkingstöcke nutzen: Die Nutzung von Stöcken verringert bei gezielter Anwendung die Belastung um bis zu 50%.
- Den Fuß möglichst flach aufsetzen: Indem man sich eher Stufen sucht und den Fuß flach aufsetzt, statt dessen Neigungswinkel zu erhöhen, wird die Belastung ebenfalls reduziert.
- Steiles Gelände meiden: Hin und wieder lohnt es sich, wenn möglich auf eine Forststraße o.Ä. zu wechseln, statt im hohen Winkel querfeldein zu gehen.
Mut zur Spaltung der Wandergruppe.
Der für so manches Knie schmerzvolle erste Tag sorgte hier und da leider auch schnell für Ernüchterung – die geschlossene Meinung der Gruppe: Lieber nicht mehr so viel irgendwas mit Berg. Da meine Schwester und ich auf mindestens einen der umliegenden Gipfel wollten, beschlossen wir, alleine loszuziehen.
Ab auf den Tauernkogel.
Werfenweng liegt eine gute Autostunde von Salzburg entfernt im Tennengebirge. Von der Wengerau aus hat man zahlreiche (Berg-) Wandermöglichkeiten direkt vor der Haustür – und wenn man doch etwas weiter weg wohnt, bringt einen das elektrisch betriebene Shuttle E-LOIS günstig dorthin. Die Möglichkeit nutzten auch meine Schwester und ich. Von der Wengerau aus sind wir dann über die Dr.-Heinrich-Hackel-Hütte auf ein Hochplateau, über welches mehrere Gipfel zu erreichen sind. Der um Werfenweng bekannteste Gipfel dürfte der Eiskogel mit seinen zwei Spitzen sein, der auch als Wahrzeichen der Region fungiert.
Da uns der reine Abstieg während der Auftaktwanderung etwas gelangweilt hatte, wollten meine Schwester und ich es nun mit Gipfeln übertreiben. Aus einem Ziel wurden Ziele: Nicht nur der Eiskogel, sondern auch Tauernkogel und die Schartwand mit gläsernem Gipfelkreuz sollten bestiegen werden. Gesagt, getan. Nachdem wir die Dr.-Heinrich-Hackel-Hütte hinter uns gelassen hatten, ging es Schritt für Schritt weiter nach oben. Wohlwissend, dass wir vor dem Gewitter am Nachmittag wieder auf der Hütte sein mussten.
Schnee auf dem Hochplateau.
Je höher wir kamen, desto schneeiger wurde es. Unsere kleine Zwei-Frau-Wandergruppe schien die einzige zu sein – im Aufstieg blieben wir allein. Unterhalb des Hochplateaus, von dem aus die verschiedenen Gipfel zu erreichen sind, zwang uns eine Schneefront zur Kraxelei an die Felswand. Auf dem Hochplateau angekommen, suchten wir den Weg in Richtung Eiskogel. Das zunehmend mehr in die Schmelze gehende Schneefeld erregte meine Skepsis. Ich versuchte trotzdem, einen Weg zu finden – denn für meine Schwester wäre es der aller-aller-erste Gipfel. Und der bringt bekanntlich ganz viele Glücksgefühle mit sich. Auf einem Kamm nahe des Eiskogels gab ich auf. Zu groß war mir das Risiko, zu nah schien das Gewitter zu kommen.
Gipfel juchhu!
Ich kehrte um zu meiner Schwester, die ein Stück weiter unten auf mich wartete. Berge haben ihre Tücken, Selbstüberschätzung kann selbst auf 2000 Meter Höhe schnell böse enden – und ich gab auch die Hoffnung auf das gläserne Gipfelkreuz der Schartwand auf. Stattdessen ein Blick auf die Uhr, die Nase in den Wind. Bis zum Gewitter dürfte noch ein Fenster von zwei bis zweinhalb Stunden bleiben. Ab auf den Tauernkogel! Und den erreichten wir tatsächlich Freude strahlend und mit Zeit für eine Gipfelrast.
Was ich gelernt habe.
- Mut, sich den Hut aufzusetzen: Manchmal hilft es, die vornehme Zurückhaltung abzulegen und mit alternativen Routen aufzuwarten, statt sich einfach der Mehrheitsmeinung anzuschließen – obwohl man es unter Umständen besser weiß. Damit wird man nicht zum Klugscheißer, sondern hilft lediglich, Schmerzen zu vermeiden. Das kann im Zweifel nicht nur einen Tag, sondern auch darauffolgende retten.
- Vorab Tipps zur Ausrüstung geben: Wenn man sich bewusst ist, dass Personen mit Knieproblemen in einer Wandergruppe dabei sind, kann man durchaus mal Trekkingstöcke als sinnvolle Begleiter ansprechen. Vielleicht kann innerhalb der Wandergruppe auch jemand Stöcke verleihen oder ein örtlicher Outdoor-Ausstatter bietet einen solchen Service an.
- Einen Tag für eigene Pläne und Mitstreiter reservieren: Passt man eigene Vorstellungen einer Gruppe an, ist es durchaus ok, einen Tag für sich zu reservieren. Man hat sich Urlaub genommen, freut sich auf die Gemeinsamkeit – aber die muss man ja nicht für 100% des Urlaubs erzwingen. Das gemeinsame Abendessen kommt bestimmt. Und da können unterschiedliche Geschichten vom Tag bereichernd wirken. Deshalb: Einen Tag für die persönliche Wunschetappe zu reservieren. Und vielleicht findet sich ja doch der ein oder andere Mitstreiter.
- Im Umland nach Ausflugszielen schauen: Manchmal entspannen der Ausflug auf eine Burg oder etwas abenteuerliches wie eine Höhlenbesichtigung etc. die Stimmung der ganzen Gruppe. Denn auch Nicht-Wanderer kommen auf ihre Kosten und haben nicht das Gefühl, ausschließlich einer wanderwütigen Meute hinterher zu rennen.
Ergänzende Links zum Thema „Knie“.
Wenn ihr mehr zum Hintergrund von Knieschmerzen beim Bergab gehen erfahren wollt, schaut doch mal bei den Berghasen vorbei – dort findet ihr nichr nur einen sehr informativen Artikel zum Thema, sondern auch Tipps wie’s bergab nicht mehr so doll im Knie drückt.
berghasen
12. August 2019 | 15:31
Danke für den lieben Verweis. 🙂